Gertrud Weiss-Richter

 



Gertrud Weiss-Richter, ist eine jener stillen und großen Künstlerinnen, die unbeirrt ihren Weg gehen und auf ein imponierendes Lebenswerk zurückblicken können. Ihre Bilder sind von einer schlichten Erhabenheit und einer gedämpften Farbigkeit. Ein Leben lang hat sie an ihren künstlerischen Möglichkeiten in einer beispielhaft konsequenten Entwicklung gearbeitet, von den frühen, zarten Selbstbildnissen, den lyrischen Natur- und Architekturdarstellungen über die konstruktivistischen Ansätze der 1960er und 1970er Jahre und die abstrakt-geometrische Phase bis hin zum Spätwerk, das sich in Malerei, Grafik, Skulptur und Fotografie zu einer intensiven Beschäftigung mit Farbe und Form verdichtet.

Zwei Leitmotive prägen das Werk der Künstlerin: die Leiter und das Fenster. Im Grunde geht es um die Dialektik des Innen-Außen und des Oben-Unten. Das Motiv des Fensters, das Energien einfängt und gewöhnlich eine Projektion nach außen darstellt, erinnert mich an die Bemerkung des rumänischen Philosophen Constantin Noica, der die Ansicht vertrat, dass das Einzige, was man in dieser monadologischen Welt versuchen sollte, sei, überall Fenster einzubauen:  nicht um in die Dinge hineinzuschauen, denn das würde uns noch weiter von uns selbst entfernen, sondern damit die Dinge uns sehen können. Die Leiter, ein mit religiösen und philosophischen Konnotationen behaftetes Symbol, eignet sich für die Künstlerin als Anlass, die Möglichkeiten der Malerei oder der Fotografie auszuloten. Einerseits deuten diese Motive auf etwas Unsagbares, Mystisches hin, andererseits suggeriert die Perfektion und Klarheit der malerischen Ausführung das Rationale. Mit ihrer subtilen, reduzierten Farbigkeit, mit den teilweise monochromen Oberflächen treten uns Gertrud Weiss-Richters  Bilder leise entgegen, ein Restgeheimnis bergen sie immer.

                                                                        Alexander Gerdanovits